Jeder Mensch redet sich raus
Zu Beginn kann dich zumindest schon einmal trösten: Jeder Mensch – wirklich jeder einzelne – hat in seinem Leben schon zu einer Ausrede gegriffen. Dabei handelt es sich um eine absolut menschliche Handlung, die zudem ganz natürlich ist. Menschen reagieren bei unangenehmen Situationen nun einmal ähnlich und haben das Bedürfnis, ja nicht sogar das Verlangen, unangenehme Gefühlen zu umgehen.
Die Lösung?
Gar nicht so einfach. Eine Ausrede tarnt sich, windet sich, ist manchmal überhaupt nicht erkennbar. Sie ist so harmlos und liebenswürdig, dass wir sie oft genug für die Wahrheit halten. Aus diesem Grund wird sie oft unbewusst und überhaupt nicht böswillig eingesetzt. Sie ist aber da, leider.
Löse das Problem in 5 einfachen Schritten
Um die gemeine Aufschieberitis langfristig zu bekämpfen, kannst du es nicht einfach „seinlassen“. Das wäre schön, wenn es so einfach wäre. Ausreden sind jedoch heimtückische kleine Biester, die sich so sehr an dich schmiegen, dass du schon gar nicht mehr erkennst, dass es eigentlich nur eine Ausrede ist. Die „Bekämpfung“ erfolgt daher schrittweise.
Schritt 1: Verinnerliche typische Ausreden
Werde dir im 1. Schritt bewusst, hinter welchen Aussagen sich eine Ausrede verstecken könnte. Vielleicht ist es keine Ausrede, aber wer weiß das schon? Einen doppelten Blick auf die untenstehenden Aussagen solltest du also werfen, um sicherzugehen, dass dies nicht eine vorgeschobene Ausrede ist, um einer eher unangenehmen Sache aus dem Weg zu gehen. Verinnerliche dir im ersten Schritt erst einmal nur die nachfolgenden Sätze, Wörter und Sprüche.
- Jeder schiebt doch mal etwas auf.
- Das machen alle so.
- Ich dachte eigentlich, das hätte ich schon gemacht.
- Das hab ich schon immer so gemacht.
- Das hab ich nie bekommen.
- Ich hab gedacht, das sei nicht wichtig.
- Ich bin zu beschäftigt.
- So hab ich das aber noch nie gemacht.
- Ich hab nicht gewusst, dass es eilig ist.
- Dafür bin ich nicht zuständig.
- Das habe ich vergessen.
- Ich warte noch auf den konkreten Auftrag.
- Ich hab ja noch Zeit.
- Wenn ich erst mal anfange, geht es wie von selbst.
- Ich muss dafür erst Lust haben.
- Morgen ist auch noch ein Tag.
- Morgen läuft es bestimmt besser.
- Erst mal mach ich noch was anderes.
- Ich muss mich konzentrieren, kann aber nicht.
- Ich verschiebe es nur kurz.
- Ich brauche noch eine gute Idee.
- Ich brauche Druck, um arbeiten zu können.
Mit Sicherheit gibt es noch tausende weitere Ausreden, aber ich denke, hier haben wir bereits eine ganz nette Sammlung an möglichen Aussagen, die auch du vielleicht schon eingesetzt hast.
Schritt 2: Finde deine Ausreden
Hast du dir die typischen Ausreden angesehen, so geht es nun mit dem 2. Schritt weiter. In diesem Schritt geht es um dich. Oh oh. Ja, genau. Jetzt musst du ehrlich sein – nur zu dir selbst. Niemand sonst schaut dir zu, keiner weiß es, keiner erfährt es. Was in Las Vegas (oder diesem Blog) passiert, bleibt auch in Las Vegas (und auch im Blog). Nimm dir die obere Liste der Ausreden und füge deine eigenen Ausreden dazu (zumindest, wenn dir bereits ein paar einfallen und du ganz ehrlich bist). Nun streiche in deiner Liste – ehrlich und absolut offen – die Punkte an, die du selbst ebenfalls schon mal verwendet hast, gerne mal verwendest oder bei denen du ein Gefühl des „huch, ertappt“ hast. Mit dieser fertigen Liste kannst du arbeiten.
Schritt 3: Suche nach den Begründungen
Im 3. Schritt dieser kleinen Übung pickst du dir alle deine angekreuzten Ausreden heraus und überlegst, in welchen Situationen es zu diesen Aussagen kam oder kommen könnte. Was veranlasst dich dazu, diese Aussage zu treffen. Warum nutzt du die Ausrede? Versuch der Ausrede auf den Zahn zu fühlen und herauszufinden, was der Auslöser ist. Schreibe dir die Gedanken, emotionalen Auslöser, persönlichen oder menschlichen Faktoren neben die Aussage auf dein Dokument und fülle die Liste.
Schritt 4: Erkenne die Gemeinsamkeiten
Jetzt kennst du deine Ausreden und bist der Sache zusätzlich auf den Grund gegangen. Hast du verinnerlicht, warum du die Ausreden verwendest, dann kannst du im 4. Schritt (zumindest in den meisten Fällen) Gemeinsamkeiten erkennen. Die Begründung für die Ausrede überschneidet sich oftmals. Dieser eine oder diese zwei Gründe, die in uns ein unangenehmes Gefühl auslösen – sie sind es, die dich kreativ werden lassen. Versuche die Begründungen für die Ausreden zusammenzufassen und auf die wichtigsten bzw. häufigsten Gründe runterzubrechen. Hier liegt dein Knackpunkt!
Schritt 5: Löse das Problem
Beim 5. Schritt angelangt, kennst du dein größtes Problem, welches sich darin äußert, dass du Ausreden verwendest, um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen oder diese abzuschwächen. Du hast es jetzt klar vor Augen – direkt vor dir – deutlich und lösbar. Löse es! Lass nicht zu, dass es dich so sehr bestimmt, dass du Dinge sagst, von denen du gar nicht überzeugt bist. Lass nicht zu, dass der Glaube an die Ausrede stärker ist als der Drang, dieses eine oder diese zwei Probleme zu bewältigen. Ich bin mir sicher, dass du die Lösung finden wirst!
Das war es schon? Ja, das war’s. So einfach ist es, Ausreden (die ja sonst wirklich gemein und heimtückisch sind) auszutricksen und wieder Herr der Lage zu werden.
Welche Ausrede hast du in deinem Leben schon einmal verwendet?
Hallo Daniel,
danke für deinen persönlichen Einblick – sehr spannend zu sehen, wie es anderen geht. 🙂 Bezüglich deines weiteren Kommentars: Das ist wohl auch der Grund, warum es so schwer fällt, sich Ausreden und die Verwendung dessen einzugestehen.
Daher finde ich, dass es ratsamer ist, nach der Bedeutung und der eigentlichen Ursache zu forschen, statt einfach „nur“ zu versuchen, die Ausreden nicht anzuwenden.
Danke auch für deine weiteren Tipps!
Ganz liebe Grüße
Maria
Ausreden und die Aufschieberitis… eine klassische Herausforderung, auf der wahrscheinlich schon ganze Heerscharen von „guten Beratern“ ihren beruflichen Erfolg aufgebaut haben.
Ich finde (wieder einmal) Deinen praktischen Ansatz gut. Ich werde mal kritisch mein eigenes Vorgehen als Business Coach für meine Kunden daran messen – vielleicht kann ich ja was konkret verbessern.
Wobei mir auch auffällt, dass ich einige Ausreden für mich selbst benutze, um (tatsächlich oder nur vermeintlich) unwichtige Aufgaben nicht in meinen Terminkalender aufnehmen oder, nachdem ich erst anders geplant hatte, sie sich relativ spontan doch nicht machen zu müssen und Zeit für (tatsächlich oder nur vermeintlich) wichtigere Aufgaben zu haben.
Noch ein wichtiger Kommentar aus meiner Erfahrung: Wenn man eine Situation vermeiden möchte – sowohl seine Ausrede zuzugeben, als auch die Aufgabe selbst anzugehen – dann will man eigentlich das Gefühl vermeiden, das man dabei verspürt. Wenn man ein gutes Gefühl hätte oder ganz neutral die tatsächlich Bedeutung ermitteln könnte, dann würde man es ja wahrscheinlich machen.
Eine relativ einfache, aber doch sehr machtvolle Methode (gerade bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen) ist es deshalb, beim Nachdenken über diese spezielle Aufgabe „in sich ruhend“ eine etwas rationalere Entscheidung treffen zu können. Das kann man, wenn man bestimmte Techniken anwendet, durch die man sich mit dem spezifischen Gefühl auseinandersetzt bis es verschwindet.
sehr schöner Artikel – danke
Vielen Dank, Roger!